Die Geschichte des Nürburgrings
Von Luki Scheuer
 
Der Nürburgring ist 71 Jahre alt, aber weit davon entfernt, in Rente gehen zu wollen. Ganz im Gegenteil, am Beginn ihres achten Jahrzehnts zeigt sich die Rennstrecke in der Eifel kraftvoll, aktiv und mit zukunftsorientiertem Optimismus. Dr. Walter Kafitz, Hauptgeschäftsführer der Nürburgring GmbH, hat Recht mit seiner Feststellung: "So vital wie heute war der Nürburgring noch nie." Die Rennstrecke erlebt sowohl sportlich als auch in ihrer Funktion als Wirtschaftsmotor der Region einen Höhepunkt. Ein Blick zurück vom erreichten Gipfel auf die 71 Jahre, die Vergangenheit sind, ist wohl angebracht, denn nur wer die Geschichte kennt kann die Zukunft gestalten.

1927 - 1937
Am Samstag, dem 18. Juni 1927, hat sich die Region um Adenau, Nürburg und Hohe Acht fein herausgeputzt. Besuch wird erwartet, aus dem ganzen Deutschen Reich und dem benachbarten Europa. Der Nürburg - Ring, man schrieb das Wort damals noch mit Bindestrich, wird eröffnet.

Die Festredner erinnern an die 1925 begonnene Bauphase, in der zeitweilig bis zu 3000 Arbeiter mit der "Ersten Gebirgs-, Renn- und Prüfungsstrecke" beschäftigt waren. Nach der Eröffnungsfeier hat der Motorsport das Wort, Motorradrennen zuerst, einen Tag später die Wagen. Erster prominenter Sieger: Rudolf Caracciola auf Mercedes S. Noch im Eröffnungsjahr erlebt die neue Rennstrecke mit dem Großen Preis der Motorräder, dem vom Automobilclub von Deutschland (AvD) veranstalteten Großen Preis von Deutschland für Rennwagen und der Radweltmeisterschaft drei weitere sportliche Höhepunkte, die auch die wirtschaftliche Bedeutung der Anlage immer deutlicher werden lassen. Unter die Rennen, die Geschichte machten, geht der Große Preis von Deutschland 1928 als "beispiellose Hitzeschlacht" ein. Es gewinnt Christian Werner auf Mercedes. Im Streckenabschnitt "Bergwerk" kommt bei einem Unfall der tschechische Bugatti-Fahrer Vincenz Junek ums Leben. Die Weltwirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit in Deutschland wirken sich auch auf den Nürburgring aus. Aufwärts geht es mit dem Beginn der "Ära der Silberpfeile" von Mercedes und Auto Union. Im Jahre 1934, ADAC - Eifelrennen und die Großen Preise melden immer neue Rekordzuschauerzahlen. Bernd Rosemeyer gewinnt auf Auto Union 1936 sowohl das Eifelrennen als auch den Großen Preis. 1937 gewinnt der blonde Emsländer das Eifelrennen, beim Großen Preis ist Mercedes - Star Caracciola siegreich.

1938 - 1947
Der Nürburgring ist längst die deutsche Rennstrecke und der Großteil der Motorsportbegeisterung in Deutschland fixiert sich auf diesen Kurs, der seinesgleichen in der Welt nicht hat. Über 200.000 Besucher erleben 1938 beim Großen Preis von Deutschland den Sieg des englischen Mercedes-Fahrers Richard Seaman. Beim Eifelrennen 1939 fährt Hermann Lang mit einem Zwölfzylinder - Mercedes (3 Liter Hubraum) mit 9:52,2 Minuten (138,5 km/h) über die 22,81 lange Nordschleife einen Rundenrekord, der bis zum Jahr 1956 Bestand haben sollte. Den Großen Preis von Deutschland gewinnt erneut Rudolf Caracciola. Es sollte für lange Zeit der letzte Grand Prix auf dem Nürburgring sein, vom Sieg eines deutschen Fahrers gar nicht zu reden. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kommen alle motorsportlichen Aktivitäten zum Erliegen. Das Sporthotel Tribüne wird zur Aufnahme von aus den Städten evakuierten Bombenopfern eingerichtet, später dient es auch als Lazarett. In den letzten Kriegsmonaten wird die Rennstrecke von den Panzern der vorrückenden Alliierten stark beschädigt. Kurz nach Kriegsende beginnt der Wiederaufbau. Schon am 17. August 1947 findet wieder ein Rennen statt, das "Eifel-Pokal-Rennen". Zum Eintrittspreis von fünf Reichsmark gibt es auch einen Verzehrbon für Wein, Brot und Wurst.

1948 - 1957
Kein Motorsport im Jahre 1948. Dafür regieren auf der Nordschleife Baumaschinen. Die Strecke wird wieder rennfähig gemacht. Das Land Rheinland - Pfalz gibt dafür ein Darlehen von 270.000 D-Mark. Am 22. Mai 1949 beginnt mit dem Eifel - Pokal - Rennen wieder die Normalität. Am 7. August desselben Jahres wird der "Großer Preis vom Nürburgring" für Motorräder, Renn- und Sportwagen gefahren. Im Jahr 1950, dem ersten Jahr der Formel 1 - Weltmeisterschaft, wird der "Ring" wieder international. Zwar ist der Große Preis am 20. August noch kein WM-Lauf, da er nur für die Formel 2 ausgeschrieben ist, aber die europäische Fahrerelite ist am Start. Der Italiener Alberto Ascari gewinnt das Rennen auf einem Ferrari. 1951 kommt in den Veranstaltungskalender das ADAC - 1000 - Kilometer-Rennen für Sport- und GT-Wagen. Der Große Preis von Europa am 1. August 1954 ist ein Höhepunkt in der Nürburgring - Geschichte. Mehr als 400.000 Besucher werden geschätzt. Sie erleben die Deutschland - Premiere der neuen Mercedes-Silberpfeile und den Sieg des Mercedes - Spitzenfahrers Juan Manuel Fangio. Fangio bestimmt in den nächsten Jahren die großen Rennen auf dem Eifelkurs. 1955 - ein Jahr ohne die Formel 1 - gewinnt er auf Mercedes 300 SLR das für Sportwagen ausgeschriebene Eifelrennen. 1956 gewinnt er auf Ferrari den GP von Deutschland und 1957 fährt er mit einem unterlegenen Maserati das beste Rennen seiner langen Karriere und gewinnt erneut den Grand Prix auf dem Nürburgring. 1955 war der Nürburgring auch wieder für die Motorradfahrer Schauplatz von Weltmeisterschaftsläufen, allerdings mit nur geringer Zuschauerresonanz. 1957 sah es beim Motorrad - GP schon besser aus: Fast doppelt so viele Besucher wie zwei Jahre zuvor. Insgesamt ist das Jahrzehnt geprägt von der Instandsetzung der Strecke und vom sportlichen Comeback sowohl des Nürburgrings als auch deutscher Fahrer und Marken.


1958 - 1967
Beim Großen Preis 1958 siegt der Engländer Tony Brooks auf Vanvall. Besonderheit des Wagens: Er hat Scheibenbremsen. Das Rennen wird überschattet vom tödlichen Unfall des Engländers Peter Collins, dessen Ferrari am "Pflanzgarten" von der Strecke abgekommt und sich überschlägt. Wolfgang Graf Berghe von Trips, Deutschlands neues Rennidol, wird auf Ferrari Vierter. 1958 findet zum erstenmal ein Sportfahrerlehrgang der Scuderia Hanseat statt. Er wird zum Vorbild aller Fahrerlehrgänge und wird noch heute zweimal jährlich durchgeführt. 1959 gibt es keinen Grand Prix in der Eifel. Dafür glänzt aber das 1000 - Kilometer - Rennen mit gutem Besuch und ausgezeichnetem Motorsport. Es gewinnen Stirling Moss/Jack Fairman auf Aston Martin. 1960 feiert das ADAC - 6 - Stunden - Rennen, später "Großer Preis der Tourenwagen", Premiere. Wolfgang Graf Berghe von Trips ist der Magnet, der 1961 fast 100.000 Zuschauer zum Großen Preis von Deutschland zieht. Der Rheinländer löst einen für die damalige Zeit gewaltigen Medienrummel aus. Im Rennen wird er mit seinem Ferrari Zweiter hinter dem an diesem Tag unschlagbar scheinenden Stirling Moss auf Lotus - Climax. 1963 wird der Grand Prix zu einer Regenschlacht, die Graham Hill (England) auf BRM gewinnt. 1964 gewinnt John Surtees auf Ferrari den Formel 1 - WM - Lauf in der Eifel. Das Rennen mit den meisten Zuschauern aber ist das 1000 - Kilometer - Rennen für Sportwagen und Prototypen. Nur knapp 50.000 Zuschauer besuchen dagegen das Eifelrennen 1965, zugleich auch Lauf zur Motorrad-WM. Giacomo Agostini (Italien) gewinnt die 350-ccm-Klasse, Mike Hailwood (England) siegt in der Halbliterkategorie, beide fahren MV Agusta. Den Großen Preis der Formel 1 am 1. August gewinnt Jim Clark auf Lotus. 1966 heißt der GP-Sieger Jack Brabham (Australien) auf der Eigenkonstuktion Brabham-Repco. Zum erstenmal nach 1927 findet wieder eine Radweltmeisterschaft auf dem Nürburgring statt. Rudi Altig wird Weltmeister der Profirennfahrer. 1967, der Nürburgring feiert seinen 40. Geburtstag, ist ein gutes Jahr. Die wichtigen Rennen verzeichnen steigende Zuschauerzahlen. Beim ADAC - 1000 - Kilometer - Rennen gibt es den ersten Gesamtsieg für Porsche, die erfolgreichen Fahrer hießen Jeo Buzetta (USA) und Udo Schütz (Selters). Den Formel - 1 - GP 1967 gewinnt Dennis Hulme (Neuseeland) auf Brabham.


1968 - 1977
Heiss ist es beim Start in das fünfte Jahrzehnt der "schönsten und schwierigsten Rennstrecke der Welt", und das ADAC - Eifelrennen 1968 auf der Südschleife, Weltmeisterschaftslauf für Motorräder, erfährt ein Kuriosum: Der Lauf der Halbliterklasse muß in der 19. von 26 zu fahrenden Runden wegen eines Waldbrandes abgebrochen werden. Der zu diesem Zeitpunkt führende Giacomo Agostini wird zum Sieger erklärt. Ganz anders beim Formel - 1 - GP am 4. August desselben Jahres: Nebel und Regen machen das Rennen fast unmöglich. Der Schotte Jackie Stewart findet sich mit seinem Matra - Ford in der "Waschküche" am besten zurecht und gewinnt. 1969 ist fürwahr ein gutes Jahr. Massenbesuch bei allen Großveranstaltungen. Höhepunkt ist der Große Preis von Deutschland, den der Belgier Jacky Ickx auf Brabham vor 120.000 zahlenden Zuschauern für sich entscheidet. Noch ahnt niemand, daß die Nordschleife als Grand - Prix - Strecke infrage gestellt werden könnte. Doch 1970 ist es soweit. Nach einer Serie schwerer Unfälle im GP-Sport erklären die Fahrer, ihr Sprecher ist der in Mainz geborene Österreicher Jochen Rindt, die Nordschleife für "zu gefährlich" und fordern umfangreiche Umbauten. Der Grand Prix wird in Hockenheim gefahren, am selben Tag findet auf dem Nürburgring ein Formel-2-Rennen statt, das der Schweizer Xavier Perrot vor der Hermülheimerin Hannelore Werner gewinnt. Der "Ring" wird umgebaut, erhält Seitenstreifen, Fangzäune und Leitplanken, wird damit sicherer aber auch schneller. 17 Millionen Mark kosten die Maßnahmen, weitere Millionen kommen in den folgenden drei Jahren dazu. 1971: wieder Grand Prix, 130.000 Zuschauer, Sieger Jackie Stewart (Tyrrell - Ford). Alles scheint wieder in bester Ordnung. Doch schon 1974 kommt ein erneuter Schock. Jetzt boykottieren die Motorrad - Spitzenfahrer beim WM-Lauf Ende April die Nordschleife. Wenig später kommen auch neue, gigantische Umbauforderungen der Formel - 1 - Piloten auf den Tisch. Der Nürburgring-Fan Clay Regazzoni (Schweiz) gewinnt auf Ferrari den 1974er Grand Prix und fährt ein Jahr später mit 7:06,4 Minuten (192,8 km/h) neuen Rundenrekord. Dieser Rekord wird ein "ewiger" sein. Das Ende der Nordschleife als GP-Strecke ist am 1. August 1976 gekommen. Niki Lauda verunglückt schwer. Der Nürburgring erhält 1977 keine Formel - 1 - Zulassung mehr. Der letzte Grand Prix-Sieger in der „Grünen Hölle" heißt James Hunt (England) auf McLaren-Ford. Am 3. Oktober 1977 faßt der Aufsichtsrat der Nürburgring GmbH den Beschluß zum Bau einer neuen, kürzeren Rennstrecke und bittet die Gesellschafter, Bundesrepublik Deutschland, Land Rheinland - Pfalz und Kreis Ahrweiler, um die Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel.


1978 - 1987
Es beginnt eine Zeit der Planungen und politischen Scharmützel um das liebe Geld. Der Motorsport geht weiter, wenn auch ohne Formel 1. Beim vom ADAC Nordrhein veranstalteten Motorrad - Grand - Prix, am 20. August 1978, erleben über 100.000 Besucher, wie der Kalifornier Kenny Roberts sich den Weltmeistertitel in der Halbliterklasse holt. Im Oktober hat der "Nürburgringlauf" mit über 5000 Teilnehmer Premiere. Planungen und Verhandlungen gehen weiter. Zugesagte Gelder werden wieder gesperrt, der Neubau wird immer wieder infrage gestellt. 1980 gehen Nürburgring - Freunde friedlich demonstrierend auf die Straße. Der heutige ADAC - Präsident Otto Flimm stellt sich an die Spitze der Bewegung "Rettet den Nürburgring". Schließlich scheidet der Bund aus der Nürburgring GmbH aus und zahlt 40 Millionen Mark. Da auch das Land und der Kreis zu ihrem Wort stehen und sich der ADAC über den Verein "Ja zum Nürburgring" mit einem erheblichen Betrag beteiligt, kann endlich am 30. November 1981 der rheinland - pfälzische Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel den ersten Spatenstich ausführen. Eröffnet wird die die neue 4,542 lange Strecke am 12. Mai 1984 mit einem großen Programm aus Show und Motorsport. Das erste Rennen gewinnt ein damals in Deutschland noch wenig bekannter Brasilianer namens Ayrton Senna. Den Grand Prix von Europa am 7. Oktober gewinnt der Franzose Alain Prost auf McLaren. 1985 wieder ein Großer Preis von Deutschland der Formel 1 auf dem "Ring". Michele Alboreto siegt auf Ferrari. Eine glänzende Premiere feiert das Open - Air - Spektakel "Rock am Ring". Die Formel 1 verabschiedet sich in Richtung Hockenheim. Mit dem Truck-Grand Prix des ADAC Mittelrhein kommt 1986 eine neue Veranstaltung ins Programm, die zu einer der tragenden Säulen im Nürburgring-Angebot wird. Trotz des Verlustes der Formel 1 kann 1987 der 60. Geburtstag der Rennstrecke mit optimistischem Blick in die Zukunft gefeiert werden.

1988 - 1998
Am Nürburgring beginnt eine Phase der Neuorientierung. Nicht mehr nur Motorsport ist gefragt. Die Rennstrecke erhält eine stärkere Leitfunktion für Fremdenverkehr und Wirtschaftsentwicklung in der Region. Seit 1995 ist die Freude groß. Formel-1- und Motorradweltmeisterschaft sind zurück auf dem Nürburgring. Am 1. Oktober 1995 hat Michael Schumacher auf Benetton - Renault als erster deutscher Fahrer einen Lauf zur Formel - 1 - WM auf dem Nürburgring gewonnen. Jacques Villeneuve heißt der Sieger des Grand Prix von Europa 1996 und des Grand Prix von Luxemburg 1997. Alle drei Rennen wurden vor ausverkauften Tribünen, darunter die neue hochmoderne Mercedes-Tribüne, gefahren. Und 1998 hat der "Ring" wieder die großen Trümpfe: u.a. der Große Preis von Europa der Formel 1, Superbike-Motorrad-Weltmeisterschaft und 2 Läufe zur Deutschen Supertourenwagen-Meisterschaft. Daneben finden die Traditionsveranstaltungen Truck- und Oldtimer-Grand Prix sowie weitere rund 100 Veranstaltungen statt. Und nie war der Ring so in seine Region integriert wie heute: So wird im Frühjahr der neue, vier Erlebnishallen umfassende, Freizeitpark "Erlebniswelt Nürburgring" eröffnet, der der ganzen Familie unter dem Motto "Autos, Action und Attraction" viel Spaß und Unterhaltung bieten wird. Ebenfalls im Frühjahr wird die neue Touristen-Zufahrt auf die Nordschleife eröffnet. Eine Restauration, große Parkflächen und ein automatisiertes Zufahrtsystem garantieren ein noch größeres "Erlebnis Nordschleife". Also, nichts wie hin zum "Ring".